Heute soll es einmal um ein Thema gehen, über das ich mich fast so sehr aufregen kann wie über Fehler, die Anfänger begehen, nur weil irgendein „Trainer“ meint, er müsse das ganze Thema Fitness so kompliziert verkaufen, wie man es nur machen kann – egal, ob das am Ende vielleicht gar keine Erfolge bringt.
Heute geht es um etwas ähnliches, nämlich um eine ganze Reihe von Vorurteilen zum Thema „Krafttraining und Frauen“, die leider in den Köpfen viel zu vieler Sportlerinnen verankert sind.
Wer daran Schuld ist? Zum einen Teil muss ich hier einmal mit dem Finger auf die Fitnessbranche deuten, denn hier wird immer wieder alles unnötig verkompliziert – kein Wunder, schließlich kann man so jeder Zielgruppe ein ganz eigenes Produkt bieten.
Jetzt wollen wir uns aber einmal abseits von wirtschaftlichen Interessen anschauen, wie Krafttraining für Frauen ausschauen sollte – und wie eben nicht.
Die Grundlagen
Zuerst einmal gibt es doch eine zentrale Frage:
Wieso sollten Frauen anders trainieren als Männer?
Und die Antwort ist ganz einfach. Weil das Idealbild ihres Körpers anders ist als das des durchschnittlichen männlichen Studiengängers.
Denn während es dem meist einfach darum geht, möglichst viele Muskeln aufzubauen und dabei gleichzeitig so definiert wie möglich zu bleiben, wollen Frauen eben kein breites Kreuz und keine dicken Arme, ihre Ziele liegen eher bei einem definierten Körper mit weiblichen Kurven.
Heißt das jetzt, dass Frauen anders trainieren müssen als Männer, weil ihr Ziel ein anderes zu sein scheint?
Nein! Und jetzt kommen wir zum entscheidenden Punkt:
Die Hormone sind entscheidend
Man nehme einen Mann, lasse ihn schwere Gewichte bewegen und dazu einen Kalorienüberschuss mit ausreichend Protein aufnehmen – und schon erhält man ein breites Kreuz, dicke Arme und all das, was man sich als Mann eben so wünscht.
Das ist natürlich sehr einfach gesagt, aber um meinen Punkt zu verdeutlichen reicht es aus.
Denn jetzt lasse man eine Frau exakt das gleiche Training absolvieren und in Relation zu ihrem Gewicht einen ebenso hohen Kalorienüberschuss bei gleicher Nährstoffverteilung fahren – und man erhält eben keinen zweiten Mann, sondern einen attraktiven Frauenkörper.
Woran das liegt? Ganz einfach:
Östrogen und Testosteron.
Von ersterem haben Frauen deutlich mehr als Männer, vom anderen deutlich weniger – und dieser Hormonhaushalt sorgt dafür, dass Männer die typisch männliche Figur mit breitem Kreuz, schmalen Hüften und vielen Muskeln aufbauen können, während Frauen deutlich weniger Muskelmasse aufbauen und das auch eher in Richtung Unterkörper.
Schwere Gewichte machen mich also gar nicht zur muskelbepackten Bodybuilderin?
Nein, denn das können sie gar nicht – zumindest nicht, solange man ohne die Zuhilfenahme von Wachstumshormonen trainiert, die die so oft als Negativbeispiel angeführten Damen einnehmen, um ihre natürlichen Grenzen zu sprengen.
Die durchschnittliche Frau wird einen solchen Körper nicht einmal annähernd erreichen können, auch wenn sie noch so hart trainiert und noch so strikt ihre Ernährung anpasst – denn dazu bedarf es einfach einer Menge Testosteron, die der weibliche Körper nicht produziert.
Wer sich also Sorgen macht, dass als Frau durch Krafttraining plötzlich Muskelberge entstehen, der kann sich eines sagen lassen: Das ist dank weiblichem Hormonhaushalt vollkommen unmöglich.
Und wenn der Aufbau von Muskelmasse so einfach wäre, dann wäre jeder männliche Trainierende dafür sicher sehr dankbar.
Was heißt das für Frauen und Krafttraining?
Vor allen Dingen eines: Die Grundprinzipien des Trainings sind bei Frauen und Männern gleich, hier muss man keinerlei Unterschiede machen.
Natürlich kann man die Übungen, die man in seinen Trainingsplan aufnimmt, so anpassen, dass man bestimmte Körperpartien besonders formt – allerdings gelten für Frauen alle „Regeln“, die ein effektives Training ausmachen, genauso wie für Männer.
Und jetzt schauen wir uns doch einmal anhand von unsinnigen Regeln, die leider im Netz kursieren, an, wie ein Krafttraining für Frauen nicht aussehen sollte – und wie man es besser macht.
Wobei ich einen Punkt noch einschieben möchte:
Sollten Frauen überhaupt Krafttraining betreiben?
Ich meine, gibt es etwas männlicheres als Gewichte bewegen – und reicht es nicht auch aus, sich im Studio im Cardio-Bereich aufzuhalten und vielleicht noch einmal zwei Sätze an der Adduktorenmaschine zu verbringen?
Nein.
Und zwar aus zwei Gründen:
Zunächst einmal, weil man durch reines Ausdauertraining nie einen wirklich fitten Körper erreichen wird – und das entsprechend am Ende meist einfach nur schlank bis dürr aussieht. Aber das ist Geschmackssache, deshalb ein ganz entscheidender Punkt:
Auch für die Gesundheit ist es natürlich von Vorteil, Krafttraining zu betreiben – denn auch Frauen kommt eine starke Grundmuskulatur zu Gute, die nicht einmal nach übermäßiger Muskelmasse aussieht, die Leistungsfähigkeit allerdings deutlich steigert und auch vor Verletzungen schützt.
Krafttraining ist also auch für Frauen nicht nur wichtig, um ein Schönheitsideal zu erreichen, sondern vor allen Dingen auch aus gesundheitlicher Sicht absolut wichtig und sinnvoll.
Und jetzt kommen wir zur Sache:
“Frauen sollten nicht mit schweren Gewichten trainieren!“
Diese Aussage stützt sich auf das, was ich eingangs erwähnt habe: Wer schwere Gewichte bewegt, der baut Unmengen an Muskeln auf und sieht am Ende aus wie eine dieser Bodybuilderinnen, die man ab und an einmal bei Facebook sieht.
Das ist natürlich Unsinn und es ist ganz im Gegenteil sogar sehr sinnvoll, schwere Gewichte zu bewegen – denn nur wenn der Körper einem ausreichend hohen Reiz ausgesetzt wird, wird er entsprechende Adaptationsprozesse starten und entsprechend Muskeln aufbauen.
Wer dagegen mit wenig Gewicht unzählige Wiederholungen ausführt, hat keinesfalls den straffenden Effekt, von dem in diesem Zusammenhang oft gesprochen wird – er führt einfach nur ein wenig effizientes Ausdauertraining durch.
Wobei wir bei einem weiteren Punkt wären:
“Frauen sollten keine Muskeln aufbauen!“
Klar, denn Muskeln machen aus Frauen Männer – das liest und hört man zumindest immer wieder und ist wohl einer der Gründe, wieso sich so wenige Frauen an schwere Gewichte trauen, auch wenn sich das in letzter Zeit zum Glück ändert.
Jeder hat bestimmt schon einmal eines dieser Transformationsbilder gesehen, auf denen eine Frau auf dem Nachher-Bild deutlich schlanker und fitter aussieht – aber das gleiche Gewicht auf der Waage steht.
Genau das ist der Beweis, dass Muskeln Frauen nicht zu Männern machen, sondern den Körper formen und die weiblichen Kurven unterstützen. Denn eine schmalere Taille in Verbindung mit dem Aufbau von Muskulatur unterstützt die Sanduhr-Form, die als besonders weiblich gilt und nach der so viele Frauen streben.
“Frauen sollten nur Bauch, Beine und Po trainieren!“
Zugegeben, das ist ein echtes Klischee, aber leider ist es oft auch Realität – schließlich sind das die Problemzonen, die Frauen besonders häufig an sich bemängeln. Oder wann habt ihr das letzte mal eine Frau gesehen, die vor dem Spiegel stand und ihren Kapuzenmuskel argwöhnisch betrachtet hat?
Das Problem ist allerdings: Wer jetzt nur seine „Problemstellen“ trainiert, der entwickelt in Folge eine Asymmetrie – das heißt, dass zum Beispiel der Bauch zu stark für den unteren Rücken ist, was sich dann in Haltungsfehlern ausdrücken kann.
Deshalb gilt auch für Frauen:
Immer den gesamten Körper ausgewogen trainieren.
Natürlich ist es legitim, den Fokus besonders auf den Unterkörper zu legen – dennoch sollten Muskelgruppen wie die Brust, der Rücken oder die Schultern, die von Frauen häufig ignoriert werden, nicht vernachlässigt werden.
Und das funktioniert am besten, indem man den nächsten Punkt keinesfalls berücksichtigt:
“Frauen trainieren am besten mit Isolationsübungen!“
Adduktoren und Abduktoren, dann die geführte Beinpresse und am Ende vielleicht noch ein paar Curls gegen die Winkeärmchen – das sind Pläne, die mir schon viel zu oft untergekommen sind und die tatsächlichen von „Trainern“ kamen.
Dabei ist es auch als Frau eigentlich ganz einfach: Statt Zeit mit Isolationsübungen zu vergeuden, sollte der Großteil eines jeden Trainingsplans aus komplexen Mehrgelenksübungen bestehen.
Das sind etwa Kniebeugen und Kreuzheben, aber auch Schulterdrücken ist eine sinnvolle Übung, genau wie auch (zunächst unterstützte) Dips und Klimmzüge.
Wer dann noch eine Extraübung für den Po oder die Waden einbauen möchte, der kann das gerne machen – auch so wird man als Frau aber schon die Fortschritte sehen, die man sich wünscht.
“Frauen dürfen auf keinen Fall Kohlenhydrate essen!“
Okay, dieser Punkt hat mit dem Training nichts zu tun, aber zur Ernährung wollte ich unbedingt noch einen Absatz einbauen, denn hier ist der Unterschied zwischen Männern und Frauen noch deutlicher zu benennen als beim Training:
Es gibt keinen.
Ganz einfach: Der Körper von Männern und Frauen funktioniert im Grundprinzip gleich und das schließt die Verdauung ein – natürlich kann eine Frau in den meisten Fällen etwas weniger essen als ein Mann, die Makronährstoffe können aber genau gleich verteilt werden.
Proteinreich, ausreichend gesunde Fette und Kohlenhydrate als Energielieferant sind also auch für Frauen die richtige Kombination für sportliche Erfolge – und wenn ein Trainer davon anfängt, dass man nach 18 Uhr keine Kohlenhydrate essen sollte, dann beginnt zu rennen. Denn meines Wissens nach können Nährstoffe noch immer nicht die Uhr lesen und beim abendlichen Training sind Kohlenhydrate durchaus sinnvoll.
Und die Moral von der Geschicht..
..Unterschiede gibt es nicht. Zumindest nicht in den Trainingsprinzipien von Männern und Frauen, denn für den Körper, von dem die meisten Frauen träumen, müssen sie ebenso Muskeln aufbauen und definieren, wie das auch bei Männern der Fall ist.
Vor Muskelbergen muss dabei keine Frau Angst haben, denn der Körper hat vorgesorgt, so dass die Figur am Ende weiblich bleibt – wenn ein Mann und eine Frau also nach dem gleichen Trainingsplan trainieren, kommen vollkommen unterschiedliche Ergebnisse dabei heraus. Genau das kann man in meinem Gym zum Beispiel bei einigen Paaren beobachten, die gemeinsam trainieren.
Am Ende sollte man sich also nicht auf Tipps verlassen, die Frauen ein vollkommen anderes Training empfehlen als Männern – natürlich kann die Übungswahl etwas anders sein, aber die Grundprinzipien sind gleich:
Auch Frauen sollten mit schweren Gewichten die Grundübungen ausführen, wenn sie einen definierten, straffen Körper zum Ziel haben – denn nur so können die nötigen Muskeln an den richtigen Stellen effektiv aufgebaut werden.
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